Digitale Kunst wird immer stärker in den Ausstellungsraum einbezogen. Ob analoge, hybride oder sogar vollständig digitale Ausstellungen – als Visitor Relations Experts müssen wir passende Services und Lösungen für diese anbieten, die einerseits den Formaten gerecht werden und andererseits dabei die besonderen Herausforderungen meistern, die diese mit sich bringen. Hierbei nutzen wir gezielt die Möglichkeiten, die integrative Besucherservice-Teams bieten.
Um die Herausforderungen und Auswirkungen dieser Entwicklung zu verstehen, hilft ein kurzer Blick auf die Definition von digitaler Kunst. Diese ist zwischen Kunst, Technologie und Wissenschaft positioniert und wird als eine kreative Kategorie definiert, die sich der Computersprache bedient. Christiane Paul unterscheidet in L’Art Numérique „(…) zwischen Kunst, die digitale Medien lediglich als Werkzeug zur Schaffung traditionellerer Objekte – Fotografie, Druck, Skulptur oder Musik – verwendet, und Kunst, die digitale Medien als eigenständiges Medium nutzt. In letzterem Fall wird das Werk ausschließlich in digitaler Form produziert, gespeichert und präsentiert und nutzt dessen interaktives oder partizipatorisches Potenzial“. Ein zeitgemäßes Besucherservice-Konzept kann dabei in beiden Fällen nicht nur einen wichtigen Beitrag zur Vermittlung und für die Zugänglichkeit der Ausstellungen für diverse Zielgruppen leisten, sondern auch dabei unterstützen, die immer knapper werdenden Budgets zu schonen, indem Kosten für Betrieb gesenkt werden. Der reibungslose Betrieb der Kunstwerke kann ein Schlüsselelement für eine erfolgreiche Ausstellung werden. Die Anforderungen, die an den Besucherservice gestellt werden, steigen dementsprechend.
In diesem Blog möchten wir deshalb einige Erfahrungen mit Ihnen teilen, die wir u.A. bei der Konzeption und Durchführung von Besucherservices u.A. für die Ausstellungen Life After Bob: The Chalice Study, Dimensions – Digital Art since 1859 und Lawrence Lek. NOX gemacht haben.
Insight 1: Ein Besucherservice-Team, das eng definierte Support Level eigenständig bedienen kann, kann Budgets schonen!
Ausstellungen, die sich der digitalen Kunst widmen, bringen naturgemäß die Anforderung mit sich, dass diese im täglichen Betrieb betrieben werden muss. Die im Vergleich zu „analogen“ Ausstellungen erhöhte Komplexität und die damit einhergehenden Aufwände stehen in direkter Abhängigkeit von der Art und Weise der technischen Umsetzung. Wie viele Kunstwerke und Installationen werden betrieben? Wie viele Künstler*innen sind beteiligt? Wie komplex und empfindlich sind Hard- und Software? Ist eine zentrale Steuerung möglich und wie sind die Laufwege? Was muss im Notfall manuell deaktiviert werden? Solange die Technik nicht zu 100 % autonom hoch- und runterfährt, den gesamten Betrieb über garantiert störungsfrei funktioniert und völlig vom Raumklima unabhängig ist, wird wohl immer Interaktion von geschultem Personal mit der Technik notwendig sein, um sie den Besucher*innen so zu präsentieren, wie es exakt den Anforderungen und Erwartungen der Künstler*innen entspricht.
Bedingt durch immer knapper werdende Budgets, werden i.d.R. nicht immer Veranstaltungstechniker*innen oder die Künstler*innen selbst vor Ort sein können und nicht alle Installationen können oder müssen bei geringfügigen Störungen ferngewartet werden. Zu den wichtigsten Aufgaben eines Besucherservices, der dabei unterstützt, die Betriebskosten möglichst niedrig zu halten, gehört in den von uns betreuten Projekten neben den klassischen Aufgaben (Einlass, Service, Vermittlung, Aufsicht) auch die mit den Expert*innen engstens abgestimmte Definition der Zuständigkeit für den Betrieb der Technik. Üblicherweise sind das das Hoch- und Runterfahren der Technik, Trouble Shooting im Sinne eines First Level Supports und die Abstimmung mit den Expert*innen, falls die Behebung einer Störung nicht ad hoc möglich ist sowie die Durchführung der Wartung unter deren Anleitung. Dabei haben wir gute Erfahrungen damit gemacht, die Zuständigkeiten auch im Besucherservice-Team eindeutig zu regeln: Welche Maßnahmen sollen und dürfen alle Mitarbeiter*innen, welche nur bspw. die Teamleitung oder das Location Management durchführen? Wie sind die Meldewege, wie werden der Zustand und die eingeleiteten Maßnahmen dokumentiert? All das kann die Effizienz steigern und für einen stabilen Betrieb sorgen.
Wird das Besucherservice-Team aktiv in den Betrieb der Ausstellung einbezogen, braucht es nicht nur bestimmte Hard- und Softskills im Team. Ausstellungen digitaler Kunst erfordern darüber hinaus im Besonderen Strukturen, die es den Visitor Services Teams ermöglichen, Verantwortung zu übernehmen und auch eigeninitiativ zu arbeiten. Eine zeitgemäße Unternehmenskultur, die von Einbindung, flache, aber definierte Hierarchien und Strukturen, Wertschätzung von Feedback und gegenseitiger Flexibilität geprägt ist, ist für uns nicht nur selbstverständlich, sondern aus unserer Sicht auch notwendig, um die hohen Anforderungen zu meistern.
Die Komplexität der Technik der betriebenen Kunstwerke kann von Touch Screens bis hin zu komplexen „custom made“ Installationen variieren; wird eine Störung durch Restart durch das einfache An- und Ausschalten einer Sicherung oder durch die Eingabe von Befehlen für Technik im sechsstelligen Wert durchgeführt. Bei den Schulungen und Unterlagen sollte deshalb berücksichtigt werden, dass der Wissens- und Kenntnisstand von Veranstaltungstechniker*innen oder von den Künstler*innen selbst nicht vorausgesetzt werden kann. Benutzerfreundlichkeit und Fokus auf die gewünschte praktische Anwendung einerseits und andererseits darauf, wann notwendigerweise ein Profi herangezogen werden muss, tragen ebenfalls maßgeblich zum Erfolg und zur Schonung der Budgets bei.
Im Zweifel sollte der Besucherservice ad hoc erkennen können, ob die Kunstwerke so funktionieren, wie die Künstler*innen das wollen oder ob eine Störung vorliegt. Bspw. können minimale Fehler sichtbar oder hörbar sein, die für Außenstehende nicht weiter auffällig sind. Gibt es Störgeräusche im Vergleich zu den normalen Betriebsgeräuschen? Ist dieser Pixel der LED-Anzeige nicht fehlerhaft? Eine wesentliche Aufgabe eines zeitgemäßen Besucherservices kann es sein, auch kleinste Störungen ad hoc mit dem gewünschten Soll-Zustand der von den Künstler*innen bereitgestellten Beschreibungen abzugleichen und bei Bedarf die Lösung einzuleiten.
Hardskills sollten gezielt durch Schulungen aufgebaut und durch Nachschulungen gefestigt werden. So geeignet und enthusiastisch ein Team sein mag: Erlangt es vor Eröffnung der Ausstellung nicht die „harten“ technischen Kenntnisse und Fähigkeiten, die Ausstellung erfolgreich zu betreiben, kann es seine Verantwortung nicht erfolgreich wahrnehmen.
Neben der reinen Wissensvermittlung über die Kunst, sollten für einen erfolgreichen (und frustrationsfreien) Betrieb nach unserer Erfahrung deshalb u.A. diese Instrumente für einen effizienten Betrieb abgestimmt und umgesetzt werden:
Anleitungen, die für (fast) Laien verständliche Schritt-für-Schritt-Anleitungen für die Bedienung und das Trouble Shooting für Kunstwerke und Installationen beinhalten. Dabei sollten auch die „no goes“ beschrieben werden – sprich, was auf keinen Fall gemacht werden darf, um die Kunstwerke und Installationen nicht unwissentlich zu beschädigen. Das versetzt den Besucherservice im gesteuerten Maße, eigeninitiativ zu handeln, Meldeketten auszulösen und dadurch Lösungen zu finden.
Praktische Schulungen, die Raum bieten, die Theorie anzuwenden.
Checklisten, die die Aufgaben für das Hoch- und Runterfahren der Ausstellung, Kunstwerke und Installationen, aber auch das Vorgehen bei Störungen, abbilden, strukturieren und dokumentieren den Betrieb, was durch Nachverfolgbarkeit auch Wartungskosten reduzieren kann.
Definierte Meldeketten: Welche Informationen brauchen die Expert*innen, wenn eine Störung nicht ad hoc vor Ort behoben werden kann? Definierte Meldeketten und Reports können die Lösungszeiten verkürzen.
Qualitätssicherungskonzept: Die Maßnahmen sollten für nachhaltige Wirkung angemessen geschult und im Betrieb immer wieder geprobt, überprüft und bei Bedarf optimiert werden.
Last but not least: Auch eine Definition von „nice to have“ und „must have“ Leistungen sollte frühzeitig im Projekt definiert werden, um bei Veränderungen eine angemessene Flexibilität in der Umsetzung zu ermöglichen und im Betriebskonzept verankert werden. Gerade in den ersten Tagen des Betriebs kann dies dabei helfen, schnell Lösungen zu finden, wenn die letztlich immer theoretische Planung mit dem sehr praktischen Besucheransturm in Einklang gebracht werden muss.
Insight 2: Praktische Maßnahmen für die Stärkung der Flexibilität im Betrieb
Inter- und intraday Schwankungen der Besucherzahlen können sich nicht nur per se auf die Auslastung des Besucherservices auswirken, sondern in Zusammenspiel mit anderen Faktoren wie dem Wetter bekanntlich auch auf die Funktion der Technik auswirken, bspw. durch steigende Luftfeuchtigkeit oder schwankende Raumtemperatur. In Peak-Zeiten steigen also einerseits die Service-Aufwände und ggf. auch die Störungen. Andererseits steigt der Druck, die Ausstellung gerade bei voller Auslastung der zulässigen Besucherzahlen sprichwörtlich von ihrer besten Seite zu zeigen. Mitarbeiter*innen des Besucherservices sollten daher in der Lage sein, bei Bedarf schnell zwischen verschiedenen Schwerpunkten sowohl im Service und in der Vermittlung als auch im technischen First Level Support wechseln zu können, um sich möglicher Störungen annehmen zu können. Damit das möglich ist, sollte bspw. eng abgestimmt werden, welche Bereiche der Ausstellung oder bestimmte Kunstwerke immer eine Aufsicht benötigen, wo auf diese vorübergehend verzichtet werden kann und welche Vertretungsregeln bei Bedarf gelten.
Ein für uns immer wieder immens wichtiger Faktor für den erfolgreichen Betrieb von Ausstellungen ist der Ansatz, dass das gesamte Team belastbare Kenntnis aller Aufgaben und Arbeitsbereiche im täglichen Betrieb haben muss und deshalb bei Bedarf überall flexibel eingesetzt werden kann. Die Theorie in Schulungen ist notwendig und gut, aber erst die Erfahrung in der Praxis schafft Handlungssicherheit und souveräne Problemlösungskompetenzen. Deshalb rotieren wir die Aufgaben in unseren Teams nicht nur zwischen den Betriebstagen, sondern auch innerhalb der Betriebszeiten. Das macht den Betrieb übrigens nicht nur flexibler, sondern steigert durch Abwechslung die Motivation und stärkt die Einbindung durch die vom gesamten Besucherservice-Team gemeinsam getragene Verantwortung für den erfolgreichen Betrieb der gesamten Ausstellung!
Insight 3: Digitale Kunst vs. analoge Services?
Die Services, die Sie Ihren Besucher*innen anbieten, sollten natürlich zu der Ausstellung selbst, aber auch zu den Budgets passen. Der Postversand von Papiertickets für digitale Ausstellungen würde für uns keinen Anachronismus darstellen. Ob dieser Service bspw. für temporäre Ausstellungen vor dem Hintergrund des erwarteten Besucherverhaltens und der hohen Bearbeitungsaufwände sinnvoll wäre, ist eine andere Frage. Ist die Kunst aber digital, der Ticketverkauf hingegen überspitzt formuliert „analog“, weil unwahrscheinlicherweise kein online E-Ticketing angeboten wird, könnte das die Besucher*innen wundern und nebenbei natürlich alle Potentiale, die E-Ticketing bietet, außer Acht lassen (diese stellen wir in mehreren Artikeln in unserem Blog vor). Schöpft Ihr E-Ticketing bereits alle Möglichkeiten wie Dynamic Pricing, Self Services und Kontingentsteuerung aus?
Auch in den Info- und Buchungsservices bestehen viele Möglichkeiten, zeitgemäße Lösungen anzubieten, die zu Ihren Ausstellungen passen. Bspw. kann ein Ticketing- und Wissensmanagement-System die Reaktionszeiten im Service erheblich senken, das Informationsangebot optimieren und gleichzeitig die Bearbeitungsaufwände senken oder unkompliziert einen Chat (mit oder ohne Bot) bereitstellen.
Neben Budgets sollten bei der Umsetzung von Services bekanntermaßen die Bedürfnisse unterschiedlicher Zielgruppen berücksichtigt werden. Die Zahl der digital natives steigt gefühlt auch bei der Generation +60 stetig; Lösungen, die aber bspw. alle gängigen Kommunikationskanäle und Zahlarten berücksichtigen, helfen selbstredend, Barrieren für alle abzubauen.
Fazit
Wir glauben, dass Besucherservices auch in der Zukunft eine immer größere Anpassungsfähigkeit und immer mehr Problemlösungskompetenzen beweisen werden müssen und dass der Schlüssel zur erfolgreichen Umsetzung in Konzepten liegt, die Budgets und Anforderungen tatsächlich gut zusammenbringen. Besucherservices, die ihre Legitimation in der Rolle der „Museumswache und Kassendienst“ sehen, werden unserer Ansicht nach spätestens in Ausstellungen digitaler Kunst nicht mehr den gestellten Anforderungen gerecht. Integrative Besucherservice-Teams, die wir auch in anderen Projekten umgesetzt haben, können hingegen budgetsensible Lösungen für viele Herausforderungen bieten – auch für Ausstellungen digitaler Kunst.