Kunst- und Kulturvermittlung – quo vadis?

Es ist erfreulich, dass das Thema Kunst- und Kulturvermittlung wieder zunehmend an Aufmerksamkeit gewinnt – etwa im Oktober Magazin des Kulturmanagement-Netzwerks

Der steigende Anteil freiberuflicher Vermittler*innen ist dabei jedoch nicht zwangsläufig Ausdruck einer erhöhten Nachfrage oder wachsender Spezialisierung. Vielmehr werfen aktuelle Entwicklungen ein kritisches Licht auf die strukturellen Bedingungen im Feld:

Die Gerichtsurteile der letzten Jahre mit weitreichenden Folgen – etwa zu Nachzahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen für vermeintlich scheinselbstständige Besucherbetreuer*innen im Bundestag sowie für Projektmitarbeiter*innen im Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege – haben Schwächen im derzeitigen Beschäftigungsmodell offenbart. Das viel beachtete „Herrenberg-Urteil“ hat zusätzlich zur Sensibilisierung für das Thema beigetragen.
Diese Beispiele deuten auf tiefgreifende, hierarchisch geprägte Missstände in der Umsetzungspraxis freiberuflich organisierter Kunst- und Kulturvermittlung hin. Die Branche befindet sich in einem Spannungsfeld: zwischen dem Wunsch nach professionellen, fairen Arbeitsverhältnissen und einer Realität, die häufig von Unsicherheit, unklaren Zuständigkeiten und prekären Honoraren geprägt ist.
Hinzu kommt die oft ungelöste Frage, was Museen – insbesondere kleinere Häuser – finanziell überhaupt leisten können, ohne zugleich auf Qualität und Fachlichkeit in der Vermittlung zu verzichten.
Ein breiter Diskurs über die Zukunft der Kunst- und Kulturvermittlung – und über faire Rahmenbedingungen für freiberuflich Tätige – scheint daher überfällig.

Vermittlung birgt dabei ein vielschichtiges Potenzial: Sie öffnet Zugänge zu Inhalten wie Objekten oder Narrativen, sie kann Wahrnehmungen verändern, Teilhabe stärken und Besucher*innen langfristig an eine Kulturinstitution binden. Dieses Potenzial wird leider häufig von den strukturellen und budgetären Zwängen blockiert.

Auch für uns bei x:hibit ist die Dissonanz zwischen der Relevanz der Kunst- und Kulturvermittlung einerseits und ihrer Fragilität andererseits ein Phänomen, dass unsere tägliche Arbeit prägt: seit Jahren entwickeln und setzen wir Konzepte um, die Vermittlung in Museen und Ausstellungen stärken und dazu beitragen, dass diese verlässlich, nachhaltig, sozial verantwortbar und inhaltlich wirksam sein kann. 
Dieser Beitrag greift aktuelle Diskurse auf, verdichtet Erfahrungen und zeigt weitere organisatorische und konzeptionelle Felder zur Stärkung der Vermittlungsarbeit auf, damit sie ihre Funktionen als öffnender, reflektierender und partizipativer Raum erfüllen kann.

RELEVANZ TRIFFT FRAGILITÄT

Besonders freiberuflich Tätige stehen hier im Brennpunkt. Ihre Flexibilität macht Vermittlungsarbeit überhaupt erst möglich – führt aber zugleich zu geringer Planungssicherheit. Die scheinbar hohen Honorare täuschen oft über schwankende Auftragslagen hinweg.
Vermittlung ist längst mehr als reine Wissensweitergabe. Sie ist Kontaktpunkt, Kommunikationsorgan und oft die erste prägende Erfahrung, die Besucher*innen mit einer Kulturinstitution machen. 

Gleichzeitig bewegt sich die Vermittlung in einem fragilen Spannungsfeld: zwischen Serviceaufgaben und kritischer kuratorischer Praxis; zwischen prekären Beschäftigungsformen und dem Anspruch auf verlässliche, qualifizierte Arbeit – sowie zwischen dem Ruf nach Diversität, Demokratie und Transformation und der Realität von Einsparungen, die häufig zuerst die Vermittlung treffen.

Ihre Flexibilität macht Vermittlungsarbeit überhaupt erst möglich, führt aber zugleich zu geringer persönlicher Planungssicherheit auf Seiten der Kunst- und Kulturvermittler*innen. Die teilweise „gefühlt“ hohen Honorare für Vermittlungsarbeit lassen oft übersehen, dass die Auftragslage starken Schwankungen unterliegt. In Bezug auf die Vertragsform scheint noch immer nicht allgemein bekannt, dass die Vergütung die Absicherung beinhaltet, die im Gegensatz zu sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen nicht von Arbeitgeber*in und Arbeitnehmer*in getragen wird. Die Vorsorge für Arbeitsunfähigkeit, Arbeitslosigkeit, Rentenversicherung und Krankenversicherung liegt allein bei den Freiberufler*innen.

Diese strukturelle Dissonanz hat Vermittlung zu einem wirksamen Instrument für institutionelle Öffnung, aber auch zu einer Stellschraube gemacht. Nur wenn die Balance zwischen Flexibilität und Absicherung gelingt, kann Vermittlung weiterhin ihre volle gesellschaftliche Wirkung entfalten.

DIE DRITTE TRAGENDE SÄULE – VERMITTLUNG SYSTEMISCH DENKEN

Vermittlung ist – neben Sammlung und Ausstellungsgestaltung – die dritte tragende Säule musealer und ausstellungsbezogener Arbeit. Sie ist weit mehr als ein Add-on zur Generierung von Besucher*innen. Ihre volle Wirkung entfaltet sie nur, wenn sie abteilungsübergreifenden und transdisziplinär gedacht wird – als systemisches Instrument von Leitung, Kuratorik, Marketing und Kommunikation sowie Besucherservice.

Ein solcher ganzheitlicher Ansatz bedeutet, Vermittlung nicht nur additiv einzuplanen, sondern strukturell zu verankern – in Projektplänen, in Budgetstrukturen und in Verantwortlichkeiten. So kann ihr die in vielen aktuellen Diskursen zugesprochenen Fragilität genommen und Prozesse geschaffen werden, die nachhaltig und wirksam sind.

Mit unseren Konzepten und in der Praxis grenzen wir diese bestehenden Fragilitäten und Unsicherheiten bewusst nicht aus, sondern beziehen sie aktiv und reflektierend ein als austarierbare Elemente, um so innovative – vielleicht auch bisweilen mutige – Lösungen zu entwickeln, die belastbar und zukunftsfähig sind.

BESUCHERBEDÜRFNISSE IM WANDEL

Das Verhalten der Besucher*innen hat sich spürbar verändert – und mit ihm die Anforderungen an die Kunst- und Kulturvermittlung. Heterogene Zielgruppen erwarten Erlebnis und Interaktion, aber auch Reflexion und Austausch bei zunehmender kurzfristiger Entscheidungsfindung. 

Diese Kurzfristigkeit ist geprägt durch digitale Buchungsgewohnheiten und stellt Kulturinstitutionen vor eine doppelte Herausforderung: Zum einen müssen sie technisch passende Buchungssysteme wie E-Ticketing bereitstellen, zum anderen die Programm- und Ressourcenplanung logistisch flexibel halten, ohne dabei an Planungssicherheit zu verlieren.

In der Praxis bieten sich hier modular aufgebaute Formate, digitale und analoge, echtzeitfähige Kommunikations- und Buchungs-Strategien und niederschwellige Interaktionsformate als strategische Ansätze an, um dieser strukturellen Realität angemessen zu begegnen.

WIE VERMITTLUNGSPROJEKTE GESTALTEN? – EINBLICKE IN UNSERE PRAXIS

Vor jedem Projekt stellen wir uns die zentrale Frage: Wie muss ein Vermittlungsprojekt gestaltet sein, damit es wirkungsvoll, nachhaltig und sozial verantwortlich ist? 

Aus unserer Praxis haben sich folgende Prinzipien bewährt:

  • Faire und transparente Arbeitsbedingungen für Vermittler*innen schaffen – für ein wertschätzendes und sozial nachhaltiges Arbeitsumfeld, das „Scheinselbstständigkeit“ nicht nur vertraglich, sondern auch im Arbeitsalltag ausschließt.
  • Methodische Tiefe und kontinuierliche Qualifizierung: Schulungen und Weiterbildungen sichern Qualität, Handlungssicherheit und Motivation. Skill-basierte Trainings zu operativen und organisatorischen Themen und eingesetzten digitalen Tools sollten ebenso Bestandteil eines jeden Projekts sein wie regelmäßige Schulungen und Feedback-Runden, um aktuelle Diskurse aufzugreifen und methodische Vielfalt zu etablieren.
  • Ein Bewusstsein für den Abbau von Barrieren und für Fähigkeiten im Konfliktmanagement fördern – zum Beispiel räumliche, kommunikative und zeitliche Barrieren aktiv adressieren. 
  • Klare Wissensstrukturen entwickeln, um Stabilität und Handlungssicherheit zu schaffen.
  • Digitale Tools gezielt nutzen, um einen Mehrwert für Besucher*innen und Mitarbeiter*innen zu schaffen sowie Vermittlung und Besucherservice effizient verknüpfen – ohne die persönliche Begegnung zu ersetzen. 
  • Die Synergie von Service und Vermittlung herstellen:  Besuchersteuerung und Vermittlungsangebote verzahnen, um Teilhabe und Wirkung zu maximieren.

WO FÄNGT VERMITTLUNG AN – UND WIE LÄSSTE SIE SICH ZUKUNFTSFÄHIG GESTALTEN?

Vermittlung beginnt nicht erst bei der Führung durch die Ausstellung: Sie beginnt in der strategischen Entscheidung, wie Teams organisiert, eingebunden und vergütet sind. Synergien und transdisziplinäre Lösungen stabilisieren Vermittlung, wenn sie systemisch gedacht werden:

  • Strukturelle Verankerung: Vermittlung und Vermittlungs-Teams (ob intern oder extern) als festen Teil der Projektorganisation denken. Gemeinsame Prozesse für Planung, Kuratorik, Kommunikation und Vermittlung sowie transparente Kommunikationsstrukturen sind essenziell.
  • Transparenz & Wissensmanagement: Ein transparentes Wissensmanagement und klare Leistungsbeschreibungen geben Handlungssicherheit.
  • Partnerschaftliche Zusammenarbeit & Qualitätskriterien: Bei externen Leistungen müssen Preis und Qualität zusammen gedacht und beschrieben werden, damit billige Lösungen nicht langfristig teurer werden.
  • Partizipative Evaluation: Besucherfeedback, Peer-Reviews und formative Evaluationen zur Weiterentwicklung nutzen.
  • Besucherorientierte Synergien: Besucherservice und Vermittlung zusammen denken, Barrieren abbauen, Dialogräume öffnen und verschiedene Erfahrungswelten einbeziehen.

FAZIT – VERMITTLUNG IST EINE PRAXISAUFGABE

„Vermittlung — quo vadis?“ ist nicht nur eine Frage der theoretischen Inhalte, sondern muss als praktische Kulturarbeit gedacht und konzipiert werden – mit Blick auf die Besuchenden, die mitwirkenden Menschen und letztendlich auch das Budget. Entscheidend ist, dass Öffnung, Transformation, Diversität oder Demokratie keine leeren Schlagwörter bleiben, sondern durch institutionelle Rahmenbedingungen, faire Arbeitsverhältnisse, methodische Sorgfalt und strukturelle Verankerung getragen werden.

x:hibit bringt Erfahrung, erprobte Konzepte und handfeste Umsetzungsansätze mit, um die Gestaltung genau dieser Balance zu unterstützen.
x:hibit-Projekte wie für die Staatlichen Museen zu Berlin, die DASA Arbeitsweltausstellung oder die documenta 12 und Skulptur Projekte 2017 geben Beispiele unserer Umsetzungsmodelle.

14.10.2025

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